Im ersten Teil eines dreiteiligen Interviews spricht die Diplom-Psychologin Sonja Franziska Schröter über Herausforderungen spät diagnostizierter Autist*innen und wirksame Bewältigungsstrategien. Sie erklärt, wie Selbstablehnung entstehen kann und wie Betroffene lernen können, mit Stress und Masking besser umzugehen.
Mit welchen Schwierigkeiten und Wünschen kommen deine autistischen Klient*innen zu dir? Was sind häufige Fragen?
Bei Erwachsenen mit einer späten Diagnosestellung beobachte ich häufig eine ausgeprägte Selbstablehnung. Diese entwickelt sich oft dadurch, dass im Laufe ihres Heranwachsens die Umwelt kontinuierlich signalisiert, dass sie „anders“ seien und nicht dazugehören würden.
Ihre natürlichen Verhaltensweisen werden häufig nicht respektiert, und viele Anpassungsversuche scheitern. Dies liegt vor allem daran, dass vor der Diagnosestellung nicht bekannt war, was diese Menschen wirklich brauchen und wie ihre Umwelt gestaltet sein sollte, damit sie gut darin zurechtkommen können.
Viele entwickeln im Laufe der Zeit Strategien, um möglichst nicht aufzufallen, was allerdings zu hohem Stress führt. In den Sitzungen arbeiten wir daher viel mit Psychoedukation und an der Selbstakzeptanz.
Was sind so Maßnahmen, die ihnen weiterhelfen? Welche Botschaft(en) gibst du häufig / gerne an deine autistischen Klient*innen?
in unseren Sitzungen besprechen wir konkrete Stresssituationen und analysieren die Effektivität der angewandten Bewältigungsstrategien.
Menschen im autistischen Spektrum benötigen oft Unterstützung bei der Selbsterkenntnis und das Camouflaging (das Verstecken des eigenen authentischen Verhaltens, um den Erwartungen der Umwelt zu entsprechen, auch Masking genannt) zu erkennen.
Besonders wichtig ist es, diese Strategien so anzuwenden, dass sie sich selbst dabei nicht verlieren und nicht in konstanten Hochstress geraten.
Für alle Menschen gilt: Stress gehört zum Leben dazu, aber es ist unabdingbar im Alltag Erholungsphasen einzubauen. Da die Gehirne von Menschen im autistischen Spektrum anders funktionieren, berichten viele, dass ihre innere Welt konstant mit weniger gut steuerbaren Gedanken und inneren Prozessen beschäftigt ist, wodurch mitunter das Außen anders wahrgenommen wird.
Es geht darum, das Masking angemessen anzuwenden und eigene Strategien zu entwickeln, um regelmäßig in Erholungsphasen zu kommen.
Im zweiten Teil dieses Interviews teilt Sonja Franziska Schröter wertvolle Empfehlungen für Lehrpersonen, Eltern und Fachkräfte im Umgang mit autistischen Menschen.