Im zweiten Teil des dreiteiligen Interviews erklärt die Diplom-Psychologin Sonja Franziska Schröter, wie Lehrpersonen, Eltern und Fachkräfte autistische Menschen besser unterstützen können. Sie gibt konkrete Empfehlungen für den Schulalltag und erklärt, warum das Verständnis für die innere Welt autistischer Menschen so wichtig ist.
Was würdest du Lehrpersonen / Eltern / Psycholog*innen empfehlen im Umgang mit autistischen Lernenden?
Alle Menschen brauchen Verständnis und Interesse an ihrer inneren Welt.
Ich empfehle Fachkräften und Eltern, zu versuchen zu verstehen, wie die innere Welt des autistischen Menschen aussieht, und sich in deren Perspektive hineinzuversetzen. Jedes gezeigte Verhalten dient einem Zweck. Menschen im autistischen Spektrum versuchen oft, sich anzupassen. Sie haben oft die Erfahrung gemacht oder denken, dass sie ohne Maske auf Ablehnung und Unverständnis stoßen.
Bei Menschen, denen sie vertrauen, können sie so sein wie sie sind. Hier werden ihre Eigenheiten akzeptiert und es wird ihnen Raum gegeben. Idealerweise können Eltern diesen sicheren Raum bieten.
Im Schulalltag ist es wichtig zu beachten, dass die ständige Anpassung sehr viel Energie kostet. Oft helfen Routine und klare Pläne bei der Orientierung. Sorgen Sie dafür, dass:
- Absprachen eingehalten werden;
- Pläne wie vereinbart umgesetzt werden;
- Erholungsphasen in die Planung integriert werden;
- Spontane Änderungen möglichst vermieden werden.
Mein Rat an alle Fachkräfte: Informieren Sie sich über Autismus und sprechen Sie mit der betroffenen Person darüber. Jedes Kind sollte sich entfalten dürfen und nicht einer Zwangsanpassung unterworfen werden.
Wichtige Botschaften, die alle Menschen kennen sollten: „Vergiss nie, dass du gut bist so wie du bist, auch wenn die Umwelt es dir schwer macht“ und „Wir alle sind wertvoll, weil wir sind“.
Wie wird die Diagnose gestellt, welche prägnanten Merkmale gibt es, wie kann die Diagnose anerkannt werden und zum Statut des behinderten Arbeitnehmers führen?
Zunächst möchte ich anmerken, dass wir besser von „Menschen mit Behinderung“ sprechen sollten.
Gerade „neurodivergente“ Menschen bieten oft „besondere“ Fähigkeiten, die in Arbeitsprozessen von großem Vorteil sein können. Es ist wichtig herauszufinden, welche Fähigkeiten benötigt werden und wie die Arbeitsumgebung gestaltet werden sollte, damit Menschen im autistischen Spektrum ihr volles Potenzial entfalten können. Unternehmen, die diese Personen einstellen, profitieren meist von deren „besonderen“ Kompetenzen.
Als Diplom-Psychologin stelle ich selbst keine Diagnosen. Für diagnostische Abklärungen in Luxemburg können Sie sich an Frau Rizzi (psychologie-rizzi.com) oder andere spezialisierte Organisationen wenden.
Im abschließenden Teil dieses Interviews spricht Sonja Franziska Schröter über Diagnose-Möglichkeiten in Luxemburg und erklärt, wie „neurodivergente“ Menschen ihre „besonderen“ Fähigkeiten im Berufsleben optimal einsetzen können.