Psychologin Nathalie Fontana teilt ihre sechs wichtigsten Empfehlungen für die Begleitung autistischer Kinder. Von Elternbildung über sensorische Wahrnehmung bis zur Stärkenförderung gibt sie praktische Einblicke, wie Eltern und Fachkräfte die Entwicklung unterstützen können.
Um ein autistisches Kind zu begleiten und sein Wohlbefinden sowie seine Entwicklung zu fördern, empfehle ich regelmäßig folgende Maßnahmen:
1. Eltern weiterbilden
Die Eltern spielen eine zentrale Rolle in der Begleitung ihres Kindes. Es ist essenziell, dass sie sich weiterbilden, um die Besonderheiten des Autismus, die spezifischen Bedürfnisse ihres Kindes und geeignete Methoden zu verstehen, die ihm helfen können. Eine Weiterbildung gibt den Eltern nicht nur Werkzeuge an die Hand, sondern auch mehr Selbstvertrauen im Umgang mit den Herausforderungen des Alltags.
2. Die sensorischen Besonderheiten des Kindes verstehen
Jedes autistische Kind hat einzigartige sensorische Besonderheiten, die sein Verhalten und seine Reaktionen beeinflussen. Dabei geht es nicht nur um die klassischen fünf Sinne (Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen), sondern auch um weitere Sinne wie:
- Propriozeption (Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum),
- Interozeption (Wahrnehmung innerer Signale wie Hunger oder Schmerz) und
- Vestibuläres System (Gleichgewicht und Koordination).
Diese zusätzlichen Sinne spielen eine Schlüsselrolle im Alltag eines autistischen Kindes. Das Identifizieren der sensorischen Empfindlichkeiten und Bedürfnisse hilft, die Umgebung anzupassen, Ängste zu reduzieren und auf das Verhalten des Kindes angemessen zu reagieren.
3. Den Tagesablauf strukturieren
Eine klare Strukturierung des Tages hilft dem Kind, sich zeitlich zu orientieren und Ereignisse vorherzusehen, was den Stress reduziert. Dies kann durch visuelle Zeitpläne, Piktogramme oder andere geeignete Hilfsmittel erreicht werden. Eine klare und vorhersehbare Routine bietet dem Kind einen beruhigenden Rahmen und unterstützt die Entwicklung von Autonomie.
4. Visuelle Hilfsmittel und angepasste Kommunikation nutzen
Die Kommunikation sollte auf die Fähigkeiten des Kindes abgestimmt sein. Dazu gehören:
- Der Einsatz visueller Hilfsmittel, um das Verständnis zu erleichtern.
- Wiederholungen oder Umformulierungen, um sicherzustellen, dass die Botschaft verstanden wurde.
- Vermeidung von zu offenen oder mehrdeutigen Fragen, die Verwirrung stiften können.
- Verwendung kurzer, klarer Sätze, die dem Verständnisniveau des Kindes entsprechen.
5. Mit Wohlwollen stimulieren und die Welt erklären
Es ist wichtig, das Kind behutsam zu neuen Erfahrungen und Umgebungen zu ermutigen. Das bedeutet jedoch nicht, es zu überfordern, sondern es liebevoll zu begleiten, um ihm zu helfen, die Welt in seinem eigenen Tempo zu entdecken. Das Kind sollte nicht in seinen Routinen gefangen bleiben, sondern durch angepasste Möglichkeiten lernen können. Dies fördert seine Kompetenzen und erleichtert die soziale Integration.
6. Stärken fördern und Interessen nutzen
Autistische Kinder haben oft ausgeprägte Interessen in bestimmten Bereichen wie Musik, Informatik, Reparaturen oder anderen technischen oder kreativen Tätigkeiten. Diese Interessen können gezielt genutzt werden, um ihre natürlichen Fähigkeiten zu fördern und ihr Selbstvertrauen zu stärken.
Diese Leidenschaften bieten wertvolle Ansatzpunkte für das Lernen, die Entwicklung neuer Kompetenzen und – langfristig – für persönliche oder berufliche Erfolge. Das Ermutigen und Unterstützen dieser Interessen ist eine positive und respektvolle Art, das Kind in seiner individuellen Entwicklung zu unterstützen.
Zusammenfassung
Diese Maßnahmen ermöglichen es, besser auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen und die Eltern als aktive Begleiter in seinem Entwicklungsprozess zu stärken. Sie beruhen auf einem Ansatz der Fürsorge und des Verständnisses, der entscheidend ist, um dem Kind zu helfen, sich zu entfalten.