HASILUX sprach mit Anne Bernabeu, Lehrerin seit 18 Jahren im Zyklus 1 der Grundschule, über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zur Inklusion autistischer Kinder in der frühen Bildung. In diesem ausführlichen Interview teilt sie praktische Ansätze, Herausforderungen und Erfolgsgeschichten aus ihrer täglichen Arbeit bei der Unterstützung autistischer Kinder in Regelklassen.
Diagnose und Unterstützung
Welche Schritte unternehmen Sie, wenn Sie vermuten, dass ein Kind möglicherweise autistisch ist, aber nicht diagnostiziert?
Erstens mal mit dem Team darüber sprechen. Dann die I-EBS Person (instituteurs spécialisés dans la scolarisation des élèves à besoins éducatifs) in unserem Gebäude ansprechen, die kommt dann in die Klasse schauen.
Wenn sich mit der I-EBS Person herausstellt, dass ein Kind autistisch sein könnte, leiten die Lehrkräfte das weiter, zum Beispiel an eine*n Schulpsychologen*in, um die Eltern mit Fachleuten in Kontakt zu setzen. Die Lehrkräfte können ja keine Diagnosen stellen und sprechen deshalb auch nicht mit den Eltern über einen Verdacht auf Autismus. Da muss eine Fachperson aus diesem Bereich intervenieren.
Wie gehen Sie vor, um dem Kind und seiner Familie die bestmögliche Unterstützung anzubieten? Wie gehen Sie mit diesem Thema bei kleinen Kindern und ihren Familien um?
Es ist wichtig, den Eltern zuzuhören und auch für sie da zu sein. Sie tragen ja die ganze Verantwortung und sind die wichtigsten Bezugspersonen für die Kinder.
Es ist auch wichtig, mit den Eltern über Alternativen zum klassischen Schulsystem zu sprechen, wenn wir meinen, dass dies ein Vorteil für das Kind wäre. Dann sind die Eltern über die Möglichkeiten informiert, die es nach dem Kindergarten gibt. Wir können die Eltern aber nur bis zu einem gewissen Punkt begleiten, und danach ist es an anderen Fachleuten, die Arbeit zu übernehmen.
Der Schulalltag

Wie gestalten Sie den Schulalltag für autistische Kinder einfacher und verständlicher?
Wir arbeiten viel mit Piktogrammen, weil manche Kinder nicht unbedingt ständig auf das hören, was wir sagen. Zum Beispiel „wir gehen heute turnen“ oder was auch immer im Laufe des Tages gesagt wird. Wir arbeiten also mit Piktogrammen und auch mit Fotos, die wir dann an einer passenden Stelle für das Kind platzieren, zum Beispiel auf seiner Bank oder an einem anderen Platz in der Klasse. Das sind solche Referenzpunkte.
Oder auch um zu kommunizieren, wenn das Kind nicht sprachlich kommunizieren kann – dann kann es mit seinen Piktogrammen und Bildern fragen oder sagen, was es gerne hätte und sich so ausdrücken. Das ist etwas, was ich schon in vielen anderen Klassen gesehen habe und was auch gut für die Kinder funktioniert. Es hilft auch, den Tagesablauf und den Wochenplan darzustellen.
Wie integrieren Sie besondere Bedürfnisse in den normalen Klassenablauf?
Was die Integration der besonderen Bedürfnisse angeht – das ist schwierig. Wie schon in einer anderen Antwort gesagt, mit einer zweiten Person geht es gut, kein Problem. Die kann dann das Kind frisch wickeln oder einzeln mit ihm zur Toilette gehen. Aber wenn man allein ist und den Rest der Klasse führen muss, ist das wirklich schwierig.
Auch moralisch. Es kann einem manchmal das Gefühl geben, man würde seine Arbeit nicht gut machen. Denn es ist schwierig, wenn man allein in einer Klasse ist, auf die Bedürfnisse des autistischen Kindes einzugehen, ohne den Rest der Klasse in dem Moment „links liegen zu lassen“.
Wie helfen Sie dem Kind bei der sozialen Integration in der Klasse?
Was die soziale Integration angeht – meistens klappt das wirklich, wirklich gut. Je jünger die Kinder sind, desto offener sind sie irgendwie und haben mehr Verständnis für das „Anders-Sein“. Oft merken sie auch gar nicht unbedingt, dass ein Kind anders ist. Aber wenn sie es merken, dann zeigen sie sich sehr hilfsbereit und helfen dem Kind auch viel.
Manchmal ist es auch schwierig für die anderen Kinder, wenn das Kind mit Sachen durch den Saal wirft, Material zerstört oder die anderen schlägt. Sie wissen zwar, dass das Kind anders ist und dass sie Rücksicht nehmen müssen, aber einige Kinder haben auch Angst. Es ist auch so, dass die anderen Kinder hier und da ‚zu kurz‘ kommen und das nicht verstehen.
Es gibt auch Bücher, die darüber sprechen, und die kann man dann, wenn man am Anfang des Schuljahres so ein Kind in die Klasse bekommt, als Einführung vorlesen. Wir haben auch schon oft den Satz gebraucht, um zu erklären, wenn das Kind aus irgendeinem Grund schreit oder kreischt oder Dinge macht, die wir nicht unbedingt verstehen: „Wir sehen nicht alle genau denselben Film in unserem Kopf – das Kind empfindet Dinge und reagiert auf Dinge, die in seinem Kopf ablaufen und die anders sein können als das, was in unserem Kopf abläuft.“
Die Kinder haben da sehr viel Verständnis dafür, und ich habe schon sehr viele positive Erfahrungen gemacht. Die Kinder lernen dadurch auch viel – sie lernen, dass nicht jeder gleich ist und dass es wichtig ist, auf die anderen Rücksicht zu nehmen. Und sie haben auch nicht immer das Gefühl, vernachlässigt zu werden, wenn das Lehrpersonal etwas mehr Zeit mit einem autistischen Kind verbringt.
Also es gibt schon viele positive Aspekte, wenn man es in einer regulären Klasse versucht, aber im praktischen Schulalltag ist es oft so, dass das Kind zu wenig gefordert wird und zu oft nur „im Leerlauf“ neben den anderen Kindern der Klasse ist, weil nicht genug (Personal-)Ressourcen da sind. Gerade dieser Punkt wäre sehr wichtig zu verbessern.
Im ersten Teil des Interviews berichtet Anne über ihre Erfahrungen mit Anpassungen im Kindergarten, diskutiert die Herausforderungen bei der Betreuung einer Klasse mit autistischen Kindern und erklärt ihre Zusammenarbeit mit anderen pädagogischen Fachkräften.