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Handbuch fir Autismus a
Schoulinklusioun zu Lëtzebuerg

Fragen zu Autismus

Illustration einer Glühbirne

Veröffentlicht von HASILUX Team

Zuletzt geändert am


Was ist Autismus?

Das neurologische Entwicklungsprofil von autistischen Menschen zeichnet sich vor allem durch Merkmale in diesen Bereichen aus:

  • Kommunikation,
  • soziales Verständnis und soziale Interaktion,
  • Interessen,
  • Verhaltensmuster
  • und sensorische Wahrnehmung.

Das Verständnis von Autismus hat sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder verändert. Auch aktuell gibt es verschiedene Auffassungen und ständige Überlegungen. Manche Menschen sagen, es sei eine Krankheit, Störung, Behinderung, andere sagen, es sei eine Art, die Welt wahrzunehmen, mit ihr zu interagieren und zu sein. Man wird als Autist*in geboren und die genetische Komponente spielt meist eine entscheidende Rolle.

Manche Menschen reden von „Menschen mit Autismus“, andere von „autistischen Menschen“, „Autist*innen“ oder „Menschen im Spektrum“, „autistischen Personen“ oder „Aspies“.

Autismus wird oft als Spektrum beschrieben, da es eine große Vielfalt an Erfahrungen und Ausprägungen gibt. Das Kennenlernen der individuellen Profile ist wichtig. Einige Menschen können erhebliche Unterstützung benötigen, während andere sehr selbstständig sein können. Manchmal liegt der Fokus sehr auf den Schwierigkeiten und Herausforderungen von autistischen Menschen. Wichtig ist auch, sich der Stärken und Fähigkeiten bewusst zu sein.

Auf dieser online-Plattform nutzen wir vor allem neuroaffirmative Sprache, heißt Begriffe und Aussagen, die autistische Menschen wertschätzen. Gleichzeitig nehmen wir Herausforderungen ernst und ermutigen Menschen, sich mit ihrer Haltung und ihrem Verständnis auseinanderzusetzen und die Bezeichnung für sich zu wählen, die für sie stimmig ist und dafür einzustehen.

  • Prof. Amanda Kirby fasst in einem Artikel (18/12/2024) die Entwicklung vom Verständnis von Autismus (und ADHS) im DSM zusammen. „DSM“ ist die Abkürzung für: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Der Artikel ist recht lang, in komplizierter Sprache und auf Englisch. Er kann jedoch auch einen präzisen Einblick und Überblick geben.
  • Tony Attwood und Michelle Garnett bieten auf ihrer Website wertvolle Kurse und Artikel an, um sich mit dem Thema Autismus und vielen verschiedenen Aspekten auseinanderzusetzen. Ihre Inhalte sind in englischer Sprache.
  • Bill Nason hat Bücher geschrieben und bietet die Facebook-Seite „Autism Discussion Page“ an, auf der er empathisch und hilfreich Informationen über Autismus und Tipps teilt. Auch diese Ressource ist auf Englisch.

Wenn die englische Sprache eine Herausforderung für Sie ist, schlagen wir Ihnen die Nutzung des AI online Übersetzer deepl.com vor. Es gibt auch sehr viele nützliche Ressourcen in französischer und deutscher Sprache. Wir werden diese Plattform weiterhin damit füllen. Sie finden bereits weitere Autor*innen in unseren Buchempfehlungen.

Weiterhin hilfreich, um Autismus besser zu verstehen, ist das Gespräch mit autistischen Menschen. So lernen Sie zusätzlich zu den theoretischen, allgemeinen Informationen konkrete und individuelle Lebenswelten kennen.

Sensorische Wahrnehmung

Autistische Menschen können eine sensorische Wahrnehmung haben, die die Mehrheit der Menschen in ihrem Umfeld nicht haben. Das Nervensystem spielt eine grundlegende Rolle bei der Art und Weise, wie autistische Menschen ihre sensorische Umgebung wahrnehmen.

Die sensorische Wahrnehmung kann sehr empfindlich („überempfindlich“/hypersensibel) oder im Gegenteil sehr wenig empfindlich („unterempfindlich“/hyposensibel) sein. Reize (visuell, auditiv, taktil, geschmacklich, olfaktorisch, propriozeptiv, vestibulär) können sehr intensiv oder sogar schmerzhaft wahrgenommen werden. Sie können aber auch im Gegenteil fast gar nicht wahrgenommen werden.

  • Erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Reizen: Geräuschen, Licht, Gerüchen oder Texturen z.B., die Unbehagen, Angst oder Schmerz verursachen können.
  • Unterempfindlichkeit gegenüber Reizen: Geringe Reaktion auf sensorische Reize, die manchmal zu einer Suche nach intensiver Stimulation führt (Bewegungsbedarf, verstärkter körperlicher Kontakt).

Manche autistische Menschen spüren nicht wirklich, ob sie Hunger oder Durst haben, ob sie auf die Toilette gehen müssen, ob ihnen kalt oder warm ist. Manche autistische Menschen sind sehr empfindlich auf den Stoff oder die Etiketten ihrer Kleidung, die Konsistenz von Lebensmitteln, den Geruch von Parfüm oder Deodorant, den Lärm im Bus oder in der Klasse oder die Geräusche in der Lüftung. Einige Sinne können bei derselben Peron “hyposensibel” und andere “hypersensibel” sein. 

Je nach Fall kann die sensorische Wahrnehmung auch eine Quelle großer Freude sein. So können zum Beispiel ihr Lieblingsessen, ein Bewegungsablauf, Wasser, verschiedene Gegenstände oder Klänge autistische Menschen begeistern und sie sehr entspannen.

Informations­verarbeitung

Die Art und Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen, ist bei autistischen und nicht-autistischen Menschen oft unterschiedlich. Die Gehirne funktionieren verschieden. Diese Unterschiede zeigen sich hauptsächlich in zwei Bereichen:

  • Monotropie: Das bedeutet, dass sich die Aufmerksamkeit sehr stark auf eine einzige Sache konzentriert. Stellen Sie sich einen Scheinwerfer vor, der einen einzelnen Punkt hell anstrahlt, und nicht ein ganzes Gebiet schwach beleuchtet.
  • Sensorische Filterung: Das Gehirn hat Schwierigkeiten damit, die Informationen zu filtern, die über die Sinne ankommen (Geräusche, Licht, Berührungen, usw.). Es ist, als würden alle Geräusche, Bilder und Empfindungen gleich stark ankommen, was zu einer sensorischen Überlastung führen kann.

Die Monotropism-Theorie erklärt dies so: Autistische Menschen richten ihre Aufmerksamkeit stark auf eine Sache, während nicht-autistische Menschen mehrere Dinge gleichzeitig beachten.

Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass:

  • Autistische Menschen manchmal mehr Zeit brauchen, um soziale Situationen zu verstehen.
  • Sie oft kleine Details sehr genau wahrnehmen.
  • Es ihnen schwerer fallen kann, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren.
  • Sie besonders gut darin sein können, Muster und Systeme zu verstehen.

Diese Art zu denken und wahrzunehmen ist nicht besser oder schlechter – sie ist einfach wie sie ist und bringt ihre eigenen Stärken und Herausforderungen mit sich.

Kommunikations­formen

Die Kommunikation von autistischen Menschen kann variieren:

  • Einige haben eine verzögerte Sprachentwicklung, andere nicht.
  • Einige sind nonverbal (kommunizieren nicht mit gesprochenen Worten).
  • Andere sind verbal, d.h., sie nutzen die gesprochene Sprache.
  • Manche verbal sprechende autistische Menschen können in bestimmten Situationen einen verringerten oder keinen Zugang zur gesprochenen Sprache haben (situativer Mutismus).
  • Einige kommunizieren durch Schrift, Gebärdensprache oder Piktogramme.
  • Andere haben manchmal Besonderheiten wie die Verwendung wörtlicher Sprache oder Schwierigkeiten, Andeutungen zu verstehen.
  • Manche autistische Menschen reden langsam, Gesprächspausen sind bemerkbar. Andere reden fließend, schnell. Das kann auch abwechseln.

Gefühle

Früher dachten einige Wissenschaftler*innen, autistische Menschen würden weniger fühlen als andere oder hätten keine Gefühle. Das stimmt nicht – sie fühlen genauso stark. Der Unterschied ist, wie sie ihre Gefühle nach außen zeigen und wie sie ihre Gefühle erkennen.

Forscher*innen der Universität Cambridge haben herausgefunden, dass autistische Menschen:

  • Gefühle sehr stark erleben können
  • Manchmal anders zeigen, wie sie sich fühlen, als andere Menschen es erwarten
  • Oft mehr Zeit brauchen, um ihre Gefühle zu verstehen
  • Eigene Wege finden, um ihre Gefühle auszudrücken

Das Problem ist also nicht, dass autistische Menschen weniger fühlen. Die Schwierigkeit ist eher, dass die Gesellschaft oft erwartet, dass alle Menschen ihre Gefühle auf die gleiche Art zeigen sollen.

Soziale Interaktion

Autistische Menschen gehen oft anders mit sozialen Kontakten um als nicht-autistische Menschen. Forscher*innen der UCLA und Dr. Damian Milton haben herausgefunden, dass dies vor allem daran liegt, dass beide Gruppen unterschiedlich kommunizieren und aufeinander reagieren.

Wichtige Punkte dabei sind:

Wie kommuniziert wird:

  • Autistische Menschen sprechen oft direkter und sachlicher, statt versteckte / indirekte soziale Hinweise zu geben
  • Sie nutzen und verstehen Körpersprache anders
  • Sie brauchen manchmal mehr Zeit, um soziale Situationen zu verarbeiten

Energie für soziale Kontakte:

  • Soziale Situationen können für autistische Menschen anstrengender sein
  • Sie brauchen öfter Pausen und Zeit für sich allein
  • Sie fühlen sich oft wohler in kleinen Gruppen oder wenn sie mit einer Person allein sind

Quelle: “The double empathy problem” auf autism.org.uk und reframingautism.org.

Freundschaften und Beziehungen:

  • Können sehr eng und wichtig sein
  • Entstehen oft durch gemeinsame Interessen
  • Brauchen manchmal andere Wege, um in Kontakt zu bleiben

Andere Quellen: https://www.semel.ucla.edu/autism

Overload, Meltdown, Shutdown

Diese Begriffe erklären, was passieren kann, wenn das Nervensystem von autistischen Menschen überlastet wird:

Overload (Überladung):

  • Das passiert, wenn zu viele Dinge gleichzeitig auf einen einwirken – zum Beispiel zu viele Geräusche, Lichter oder soziale Kontakte
  • Kann der erste Schritt zu einem Meltdown oder Shutdown sein

Meltdown:

  • Eine starke Reaktion nach außen, wenn alles zu viel wird
  • Kann sich zeigen durch viel Bewegung, Weinen oder Wutausbrüche
  • Die Person kann das nicht kontrollieren – es ist wie ein Ventil, das aufgeht

Shutdown:

  • Eine Reaktion nach innen, wenn alles zu viel wird
  • Die Person zieht sich zurück und reagiert weniger auf die Umgebung
  • Das ist eine Art, wie sich das Nervensystem selbst schützt

Diese Reaktionen sind keine „schlechtes Benehmen“, sondern normale Reaktionen, wenn das Nervensystem überlastet ist.

Teilweise von: Autistic Self Advocacy Network (ASAN) > „About Autism“ (autisticadvocacy.org)

Autistischer Burnout

Der autistische Burnout ist ein Zustand extremer Erschöpfung, der oft durch anhaltende Bemühungen verursacht wird, sich an eine neurotypische Umgebung anzupassen. Er resultiert in der Regel aus einer

erhöhte sensorische Empfindlichkeit und eine verminderte Fähigkeit, soziale Interaktionen zu bewältigen.

  • sensorischen Überlastung,
  • konstantem sozialem Druck und
  • mangelnder angepasster Unterstützung.

Die Symptome umfassen

  • intensive Müdigkeit,
  • kognitive Störungen (Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisstörungen)
  • erhöhte sensorische Empfindlichkeit und eine verminderte Fähigkeit, soziale Interaktionen zu bewältigen